In Verbindung sein – Ein Interview mit Gerhard Popfinger

In der Dunkelheit im Kreis sitzen, schwitzen, reden, singen. Umfangen von Mutter Erde und mit Geistwesen, Krafttieren, Ahnen verbunden sein. Mit uns selbst und der Natur, dem Leben kommunizieren. Die Trommel hören, spüren. Teil des großen Liedes sein.
So arbeitet Gerhard Popfinger, Schwitzhüttenleiter aus Würzburg. Und dieser Weg ist nicht nur sein Beruf, sondern viel mehr. Dirk Grosser sprach mit ihm über Heilung, über Gott und Göttin, über Plastikschamanen und Tiefenökologie, über rotglühende Steine und einen Kreis, der alles Sein umfasst.

Kann eine uralte Tradition wie der Schamanismus unserer Moderne etwas Substanzielles sagen?
Schamanismus ist ja so etwas wie die Ur-Religion aller Kulturen, ohne dabei die dogmatischen und absoluten Merkmale einer heutigen Welt-Religion zu besitzen. Mehr im ursprünglichen Wortsinne, wo ja “Religion” von lat. religare stammt, was soviel heißt wie “anbinden, zurückbinden”, also die Rückverbindung mit dem Ursprung. Und was ist unser Ursprung, der Ursprung allen Lebens? Himmel und Erde, Licht und Materie, die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, Tiere und Pflanzen, von und mit denen wir leben, und unsere Mitmenschen in Form unserer Vorfahren, der Ahnen, und unseren Freunden, Verwandten und der ganzen Weltbevölkerung. Das sind die unmittelbaren Kräfte, die uns bewegen – nur ist uns das heute meist nicht mehr bewusst. Alle sprechen von Vernetzung, aber das natürliche Netz unserer Eingebundenheit ist uns verlorengegangen. Was bedeutet heute noch, ein “Kind der Erde” zu sein? Dabei ist es einfach nur Wahrheit! Ich glaube, dass sehr viele Anstrengungen, die heute für eine bessere Welt gemacht werden, deswegen ins Leere laufen – zumindest was die Breitenwirkung betrifft –, weil uns heutigen Menschen diese substantielle Anbindung an die Urkräfte des Lebens auf unserer Erde aus dem Bewusstsein verschwunden ist. So bedeutet Schamanismus in heutiger Zeit für mich in erster Linie Wieder-Erinnerung an die Verbundenheit allen Lebens, eine spürbare Anbindung an die Kräfte der Erde, und eine Ausbalancierung des fragilen Gleichgewichts unserer Umwelt wie auch unserer eigenen Innenwelt. Substanzielleres und Aktuelleres kann ich mir nicht vorstellen!

 

Was bedarf in unserer Gesellschaft der Heilung?
Ich glaube, was am meisten fehlt, ist das bereits angesprochene Bewusstsein unserer Verbundenheit, unseres Aufeinander-angewiesen-seins und der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen allen Bereichen des Lebens: Mensch und Erde, Mensch und Pflanzen, Mensch und Tiere, Mensch und Mensch. Man kann es auch Liebe nennen. Aber eine erwachsene Liebe, die aus Verantwortung und Einsicht gespeist wird. Es ist schon unglaublich, mit welchen Banalitäten sich viele Leute tagein-tagaus beschäftigen, während Kriege geführt werden, unzählige Menschen verhungern, die letzten Ressourcen unserer Erde verdreckt oder unwiederbringlich verbraucht werden usw. Gerade gestern habe ich gelesen, dass seit 1970 die weltweite Biodiversität um 30% abgenommen hat. Das heißt, dass 3 von 10 Pflanzen- und Tierarten bereits verschwunden sind – in 40 Jahren! Es ist ein abgedroschener Satz, aber wir müssen aus unserer tiefen Hypnose aufwachen und zum Wesentlichen des Lebens zurückkehren – oder vielmehr endlich vorangehen!

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